Man stellt sich in diesem Zusammenhang vielleicht die Frage, ob ein weiteres Zucht- bzw. Rassemerkmal nun wirklich nötig ist. Der Dalmatiner ist generell ein gesunder Hund, aber mit Fleckung, verschiedenen Farbschlägen, Blauaugen, Platten und eventueller unilateraler oder bilateraler Taubheit hat man als Züchter doch wirklich schon genug Faktoren, die die Zucht dieser Rasse nicht gerade erleichtern. Wenn man jedoch den gesundheitlichen und nicht den optischen Aspekt betrachtet, so kommt man um die Erwähnung der Hyperurikosurie nicht herum. Es ist eine Tatsache, dass der Dalmatiner ein HUU mutiertes Gen SLC2A9 trägt.
Und eine weitere Tatsache ist, dass die Aufgabe eines Züchters es definitiv sein sollte, die Rasse durch Selektion zu verbessern.
Was aber, wenn bei all der Selektion manche Dinge vergessen werden?
Ich habe beobachtet, dass der Dalmatiner im Vergleich zu anderen Rassen, die weitaus weniger Rassemerkmale haben, eine viel größere Phänotyp-Variabilität aufweist. Zwar gibt es natürlich den FCI Rassestandard, dieser ist jedoch Auslegungssache und ein Welpenkäufer kann sich heutzutage wunderbar erst einmal die Frage stellen, auf welchen Typ er denn persönlich steht. Klein, groß, sportlich, kräftig, zart, zurückhaltend oder doch lieber ein Draufgänger? Ja und dann sind da noch die Flecken. Es gibt Züchter, denen die Fleckung so wichtig zu sein scheint, dass ein eher weniger ansprechender und weniger korrekter Körperbau in Kauf genommen wird. Das Gegenteil gibt es natürlich ebenso. Oder man achtet nur auf das Wesen, oder die Lebensdauer – wie auch immer: Immer dann, wenn sich nur auf EIN Rassemerkmal konzentriert wird und man sich in einer einzigen Idee verrennt, gehen andere wichtige Dinge verloren. Manche Merkmale kann man relativ schnell wieder zurückholen, bei anderen kann es sich als äusserst schwierig darstellen.
Wie man sieht, ist es ganz und gar nicht einfach zu züchten. Es ist einfach zu vermehren – ja. Aber wirklich zu züchten bedeutet für mich, alle Merkmale im Auge zu behalten. Manchmal muss man etwas Neues wagen, etwas ausprobieren, um in der Zucht voran zu kommen. Dafür braucht man Nerven, Mut und ein dickes Fell, denn so trauig es ist: Manche Züchter scheinen nur auf den Misserfolg anderer Züchter zu warten. Dabei sollte man doch dankbar für diejenigen sein, die nicht nur mit dem Strom schwimmen, sondern Neues versuchen, um die Zucht voran zu bringen, den Genpool zu erweitern etc. Wenn eine Verpaarung nicht so ausfällt wie gewünscht oder gedacht, dann ist es eben so. Es kann jeden Züchter treffen, aber keiner will doch wirklich mit Absicht kranke oder fehlerhafte Hunde züchten. Da aber die Natur in der Zucht noch ein Wörtchen mitzureden hat, wird es immer unmöglich sein, den „perfekten“ Wurf bzw. Hund zu haben – und das ist auch gut so.
Der „normale“ Dalmatiner trägt das HUU-mutierte SCL2A9-Gen – das ist eine Tatsache und sollte jedem Dalmatinerbesitzer bekannt sein.
Zur Erinnerung:
HUA = High Uric Acid = Hyperurikosurie = Hoher Harnsäurespiegel, HUU-mutiertes SCL2A9-Gen
-> ALLE Dalmatiner weltweit, die nicht vom Backcross Projekt abstammen, sind sogenannte HUADalmatiner!
Seit dem 01.11.2011 werden LUA Dalmatiner offiziell im AKC (American Kennel Club) registriert und sind somit FCI anerkannt. Diese Tatsache ermöglicht uns, das LUA Gen den europäischen Zuchtlinien zuzuführen und somit einen gesundheitlichen Faktor der Rasse aktiv und gezielt zu verbessern.
Somit gibt es seit 2012 nach Anfängen in England auch in Deutschland und im weiteren europäischen Ausland mehr und mehr LUA Dalmatiner. Sorgfältig geplante Verpaarungen machen eine Einkreuzung in mehr und mehr europäische Linien und somit die Verbreitung in europäische Länder möglich.
Weitere detaillierte Informationen auf Deutsch zu LUA Dalmatinern finden Sie hier: www.lua-dalmatiner.de
und in Zusammenarbeit mit weltweit verteilten Unterstützern entsteht: LUA Dalmatians World
Ein guter Züchter berät seine Welpenkäufer gut und verschweigt die Hyperurikosurie nicht. Er rät zu Umsicht in Sachen Fütterung und so werden viele HUA Dalmatiner völlig problemlos alt und haben keine, oder zumindest keine offensichtlichen Probleme mit Auswirkungen von einem Zuviel an Purin in der Nahrung. Dies gilt vor allem bei Hündinnen, die rein aufgrund der Anatomie weniger Probleme mit den Auswirkungen der Steinbildung haben, sodass bei Hündinnen ein Blasen-Verschluß so gut wie niemals vorkommt.
Leider gibt es aber immer wieder unbedachte und nicht ausreichend informierte Dalmatiner-Halter, deren Hunde schwer erkranken und diesen dann im schlimmsten Fall nur noch operativ geholfen werden kann.
Wichtig zu erwähnen ist, dass jedem Interessenten oder Besitzer eines LUA Dalmatiners bewusst ist, dass ein LUA-Träger nicht automatisch von allen nur in Frage kommenden Krankheiten befreit ist. Einzig und allein Harnsäure-bezogene Krankheiten und Probleme werden ausgeschlossen! LUA Dalmatiner werden keine Uratsteine entwickeln, sehr wohl können sie aber z.B. alle anderen Sorten von Steinen formen! Man darf als Halter aufgrund des LUA Gens nicht seinen Kopf ausschalten.
Die meisten anderen Hunderassen tragen die LUA-Variante und können trotzdem an den verschiedensten Dingen erkranken. Die einzige Gefahr und Sorge, die ein Züchter seinem Welpenkäufer durch das LUA-Gen nehmen kann, ist die, dass der Hund nicht wie ein HUA Dalmatiner bei unbedachter Fütterung Uratkristalle bzw –Steine und die damit verbundenen Probleme entwickeln kann.
Veranschaulichung zum Thema Urin-Test KLICK
Es mag durch eine falsche Übersetzung alter Artikel aus Amerika auch das Gerücht entstanden sein, dass LUA Dalmatiner besser hören. Dies ist jedoch absolut unwahr. Zu Beginn der LUA Zucht in Amerika war das Gehör lediglich ein Ansatzpunkt – man hoffte, eventuell auch das Gehör positiv beeinflussen zu können. Mittlerweile ist es jedoch so, dass es sicherlich wie auch bei den HUA-Würfen linienbedingt bzw. Glückssache ist, ob ein Wurf komplett beidseitig hörend ist, man unilateral hörende Welpen hat oder ob vielleicht auch sogar taube Welpen dabei sind. Mit dem LUA Gen hat dies sicherlich nichts zu tun.
Es muss beachtet werden, dass wie bei jeder Outcross-Verpaarung (also der Einkreuzung neuer Zuchtlinien in die bestehende Linien eines Züchters) durch die eingekreuzten Linien aus den USA auch genetische Veranlagungen in die europäische Zucht eingebracht werden könnten, die bisher in der europäischen Zucht eine geringere Rolle gespielt haben. LUA Züchter weltweit legen daher ein besonderes Augenmerk auf genetische Schwächen (wie z.B. Hüftdysplasie, Epilepsie, Schilddrüsenerkrankungen,…) aber auch auf laut Rassestandard unerwünschte Fell-Variationen und streben an, offen alle Informationen über mögliche Erbkrankheiten oder Schwächen zu kommunizieren. Unter diesem Gesichtspunkt ist es umso wichtiger, dass sich seriöse Züchter mit stabilen HUA-Linien in die LUA-Idee einbringen.
Es ist eine große Chance, der Rasse die LUA-Variante zurückgeben zu können. Die züchterischen Risiken müssen von Anfang an klar sein und so weit wie möglich vermieden werden, damit die an sich gesunde Rasse der Dalmatiner durch Einbringen der LUA-Variante noch gesünder wird und nicht neue Schwachpunkte in die Rasse eingeschleppt werden. Genauso wichtig wie gut und bedacht geplante LUA Würfe sind deshalb die guten HUA-Würfe, die den LUAs die Möglichkeit bieten, langfristig wieder mit entsprechenden Partnern verpaart zu werden, die aus stabilen und gesunden HUA-Linien stammen. Es sollte ein Zusammenspiel sein und kein Auseinanderdriften zweier Lager.
Um noch einmal die Genetik aufzugreifen:
Ein Dalmatiner, der das LUA-Gen trägt, unterscheidet sich genetisch geringfügig von anderen Dalmatinern: Da das Gen SLC2A9 auf dem Chromosom 3 liegt, wurde bei Einbringung der gewünschten LUA-Variante zwangsläufig das Chromosom 3 des Pointers mit eingebracht, das auch nach mittlerweile rund 15 LUA-Generationen zumindest noch zum Teil vorhanden ist. Berechnungen des Pointer-„Blutanteils“, d.h. des Prozentsatzes des Pointer-Anteils an den LUA-Dalmatinern sind völlig unwissenschaftlich und berücksichtigen die genetischen Mechanismen nicht, sollten also in Zukunft nicht weiter beachtet werden.
Äußerlich sind im Prinzip keine Unterschiede zwischen LUA- und HUA-Dalmatinern erkennbar. Auch innerhalb der HUA-Dalmatiner gibt es Varianten in Bezug auf Fleckengröße, Pigmentstärke, Körperbau etc.
Die LUA-Dalmatiner sind also reinrassig im Sinne der FCI, auch wenn es einen (gewünschten) genetischen Unterschied gibt. Da die Rasse der Dalmatiner vermutlich ursprünglich ebenfalls u.a. auf Pointer zurückgeht, dürfte das neuerliche Einkreuzen eines Pointers den Dalmatinern keine grundlegend anderen Eigenschaften eingebracht haben.
Unsere züchterische Haltung LUA Dalmatinern gegenüber:
Wir waren seit Jahren begeistert von der Arbeit und der züchterischen Anstrengung der amerikanischen Züchter, die über lange Jahre hinweg für die endgültige AKC und somit auch FCI Anerkennung der LUA Dalmatiner gekämpft haben.
Die Wiedereinkreuzung ist eine große Chance für unsere insgesamt sehr gesunde Rasse und wir sehen uns als Züchter in der Pflicht, neben den vielen anderen Aspekten immer auch die Gesundheit im Auge zu behalten.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, sind wir demnach definitiv Befürworter der LUA Zucht. Gute und gesunde LUAs können jedoch nur mit Hilfe von guten HUAs sinnvoll und züchterisch wertvoll gezüchtet werden, so wichtig eine durchdachte Zucht ohnehin generell schon ist, umso wichtiger ist eine zukunftsorientierte und umsichtige Planung vor allem in der LUA Zucht. Der Genpool und sinnvolle Zuchtziele sind immer zu bedenken.
Aus diesem Grund planen wir sowohl durchdachte LUA als auch HUA Verpaarungen wobei LUA Welpen bzw. Nachkommen hier stets transparent als solche bezeichnet werden.
Was spricht dagegen? Sind doch alles Mischlinge!?
Ja, das Backcross Projekt basiert auf der Einkreuzung eines Pointers. Man sollte jedoch wissen, dass das NUA-Zuchtprogramm mittlerweile bei der 14. Generation angekommen ist. Der Pointer-Anteil in den heutigen Hunden ist also verschwindend gering.
Ist nicht jede Rasse über Jahrhunderte durch die Mischung verschiedener Rassen und durch Selektion entstanden? Im Prinzip sind also alle irgendwo in der Wurzel Mischlinge.
Die Nachkommen des LUA Zuchtprogrammes haben heutzutage einen Dalmatiner-„Blutanteil“ 99,98%.(2) EINE einzige Dalmatiner-Pointer-Verpaarung im Jahr 1973 hat das Backcross-Projekt ermöglicht, und wir haben nun seit Herbst 2011 die Möglichkeit, von den Bemühungen und Anstrengungen (sicherlich auch eine Menge Schweiß und Tränen) der engagierten Züchter in den vergangenen Jahren zu profitieren – hoffen wir, dass die Vereine nicht zuchtverhindernd agieren und sich sträuben – hoffen wir außerdem, dass diejenigen, die sich zur Einkreuzung des LUA Gens entscheiden, sehr bewusst, sorgfältig und feinfühlig damit umgehen, damit nicht wieder oder mehr Fehler in Sachen Selektion begangen werden.
Quellen:
(1) „The Great Debate LUA“ von Ron Zimmerman, Mitglied Dalmatiner Club von Amerika (AKC / American Kennel Club)
(2) www.nuadalmatians.com
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